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Andreas Stuth
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Andreas Stuth

Satiren

Plastiktrümpfe

[Andreas Stuth] Früher trug ich mein Portemonnaie immer in der Gesäßtasche. Das geht heutzutage nicht mehr, meine Plastikkärtchen darin könnten durchbrechen, wenn ich mich setze. Diese kleinen Kameraden eroberten sich in den letzten Jahren ja rasendschnell immer neue Anwendungsbereiche. Bibliotheksausweis, Bahncard, Telefonkarte, Scheckkarte, Krankenscheinersatz ist die Basisausstattung an den schmucken, mit bunten Hologrammen verzierten Rechtecken. Ein richtig gutes Blatt hat man aber erst, wenn man noch fünf bis sechs weitere besitzt, wie Ausweise von Buchklub und Fitneßcenter und die Karte, die einem in der Firma die Türen öffnet (aber nicht so, wie man das immer in Krimis sieht. Ich habe das mal versucht. Wie soll das funktionieren?) und auf die man in der Kantine Ermäßigung bekommt. Ich bin sicher, dass demnächst noch weitere Einsatzgebiete hinzukommen werden. Das Sammeln von Telefonkarten ist ja inzwischen schon als ernsthaftes Hobby anerkannt, ja selbst als Wertanlage. So mancher japanische Industrielle hat neben den van Gogh im Tresor auch ein Exemplar der streng limitierten Auflage der Karte "SOS Kinderdorf" (deutsche Telekom 1986), gelegt. Doch wie wäre es etwa mit einem Kärtchen für Katholiken, auf der sich ein Guthaben an Vaterunsern und Ave-Marias speichern ließe, welches man nach der Beichte kurz durch den Scanner des Pfarrers zieht, oder die "Flensburger"-Karte, zum Punktesammeln für Autofahrer, die man im Winter auch als Eiskratzer benützen kann?

Zweifellos wird der Tag kommen, an dem es möglich sein wird, all diese vielfachen Funktionen in einer einzigen Karte zu vereinen. Doch was wäre das für eine Gleichmacherei? Wie traurig für die armen Seelen, die es cool fanden zur Imageaufbesserung all die papierenen Kreditkartenattrappen in ihrer neuen Geldbörse zu belassen. Und nicht auszudenken, was los wäre, wenn man diese "Generalkarte" einmal verlieren oder die Information auf ihr zerstört würde (Ich setze mich jetzt schon immer ganz weit weg von starken magnetischen Feldern). Unter 12-18 Wochen kriegt man ja nicht mal Ersatz für seine Zehnerkarte vom Schwimmbad.

Die wichtigste Funktion dieser Flachmänner wird aber wohl der bargeldlose Zahlungsverkehr bleiben. Die damit verbundene Tücke ist die Geheimzahl. Wirklich nicht zu helfen ist jenen, die sie sich auf der Karte selbst notieren. Am besten ist es natürlich, sie sich nur zu merken. Es steht einem da ein geräumiger Fundus an Eselsbrücken zur Verfügung. Schwierig wird es, wenn man mehrere Konten besitzt. Oft kommt man dann nicht ums Aufschreiben herum. Aber bitte codiert und an sicherem Ort. Völlig sicher vor Betrug ist man aber nie. Es gibt ja die ausgeschlafensten Nepper, Schlepper, Bauernfänger.

Die Stunde der Wahrheit kommt am Geldautomaten. Wie sich manch einer da doch anstellt! Da werden höchst zögerlich endlose Zahlenkolonnen eingegeben, jedenfalls zufolge der Anzahl "Pieps", die man hört. Also, meine Geheimzahl besteht nur aus vier Ziffern, und da geht es piepiepiepiep, hintereinanderweg. Dann ist die Transaktion endlich abgewickelt. Aber man gibt den Automat noch nicht frei. Erst muss noch umständlich die neue Barschaft verstaut und der Beleg eingehend studiert werden. Ich fordere das Verbot der Nutzung von Geldautomaten an verkaufsoffenen Samstagen für Leute, die die Aktion nicht unter 50 Sekunden bewältigen.

Dann ist man selbst dran und muss erfahren: "Eine Auszahlung auf ihre Karte ist zur Zeit nicht möglich", aus meist unerfreulichen Gründen. Peinlich. Das kein Geld kam, haben die hinter einem im durch die Diskretion gebotenen Abstand Wartenden natürlich mitgekriegt. Das Geldausgabefach klackte nicht. Wer dann den psychischen Druck nicht erträgt, kann sich mit einer Bemerkung wie etwa:"Wollte blos mal meinen Kontostand checken", Luft machen.

Noch erniedrigender ist es, wenn wegen eines Saldos jenseits von Gut und Böse die Karte vom Automaten einbehalten wird. Aber die Krönung der Entwürdigung stellt es dar, wenn man die Karte bei der Bank zurückholen will, sie aber zu erzieherischen Zwecken vom "Kontoführer" vor den eigenen Augen mit einer Schere zerteilt wird.

Das andere sind dann die Kreditkarten. Früher waren sie noch ein Abzeichen für die Priveligierten, heutzutage kriegt man sie ja geradezu aufgedrängt. Der Zahlungsverkehr mit ihnen wird inzwischen zwar Gottseidank schon großteils ruckzuck elektronisch abgewickelt, aber es kann auch noch vorkommen, dass man im Kaufhaus an der Kasse jemanden vor sich hat, der beabsichtigt, mit "Karte" zu zahlen und da wird dann dieses Ding unter der Theke hervorgeholt, diese Mischung aus Pommes-Frites-Schneider und Zigarettenrollmaschine. Dann dauert die Behandlung des Vorganges ihre Zeit. Man kennt ja die Fernsehwerbung:

"Und mit was wollen sie den Betrieb aufhalten?"

"Mit meiner Visakarte"

"Visaaaah, die Frechheit nehm ich mir."

Aber wer weiß, vielleicht ist auch das Plastikgeld bald schon wieder out und es wird direkt von einem Chip im Ohr abgebucht. Ich bin da sehr fortschrittsgläubig.


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Last modified: 01:07:22, 06. Oktober 2008